Die Kurstadt Pitlochry
In der Region Perthshire, im Zentrum von Schottland und nur ca. 1,5h nördlich von Edinburgh, liegt das kleine Städtchen Pitlochry (gälisch: Baile Chloichridh or Baile Chloichrigh). 1842 werteten Queen Victoria und ihr Gemahl Prinz Albert die Gegend durch ihren Besuch und den Erwerb des Highland Estates Balmoral auf, wodurch Perthshire und somit auch Pitlochry für Touristen interessant wurden. Es folgte der Anschluss an das Bahnnetz 1863.
Bis heute haben sich viele viktorianische Gebäude erhalten können. Mit dem Charme einer Altstadt, den Grün- und Waldflächen, den vielen Sehens- und Wandermöglichkeiten ist Pitlochry bis heute ein beliebtes Ausflugsziel und eignet sich perfekt für einen längeren Aufenthalt. Durch die zentrale Lage in Schottland – die Nähe zu den Cairngorms, den Highlands und der Hauptstadt Edinburgh – ist es zudem ein idealer Ausgangspunkt zur Erkundung vieler Sehenswürdigkeiten und Höhepunkte Schottlands. Nicht umsonst haben wir für unsere Standortreise Central Highlands in Schottland Pitlochry als Basis gewählt.
Meine Anreise per Bahn
Meine Reise in diese kleine, idyllische Stadt begann in South Queensferry, genauer genommen an der nahegelegenden Railstation Dalmeny um 6.30 Uhr. Es war Anfang September und die Sonne ging gerade auf, als ich mit der Bahn über die historische Forth Bridge fuhr und den Meeresfjord Firth of Forth überquerte.
Es war ein unglaubliches Erlebnis in der Sonnenaufgangsstimmung am Ufer entlang Richtung Highlands zu fahren. (Das auch die Bahn nach den Regeln des Links-Verkehrs fährt, war für mich jedoch am Anfang etwas gewöhnungebedürftig und so schaute ich in Erwartung des nahenden Zuges stets in die falsche Richtung.) Nach knapp 2,5h kam ich gegen 8.45 Uhr in Pitlochry an und lief durch den noch verschlafenen Ort, vorbei an den wunderschönen historischen Gebäuden.
Aufstieg zum Hausberg Ben Vrackie
Doch mein Ziel für heute war noch nicht erreicht. Für mich diente Pitlochry als Ausgangspunkt für die Wanderung auf den Ben Vrackie, den Hausberg der Stadt. Mit seinen 841m erfreut er sich nicht nur bei den Einwohnern sondern auch bei den Besuchern an großer Beliebtheit.
Um zum Startpunkt der Wanderung zu gelangen, ging ich eine ansteigende Straße entlang, durch die Mühlensiedlung Moulin und kam so zum zweiten Wanderparkplatz, von dem aus die gekennzeichnete Route startet. Da ich schon so früh unterwegs war, hatte ich den Weg so gut wie für mich und konnte die Natur und die Eindrücke in einer ungewohnten Stille genießen.
Das erste Stück führt durch ein wunderschönes Waldstück an einem Bach entlang. Nach kurzer Zeit erreichte ich dann die offene Moor- und Heidelandschaft, die von größeren und kleineren Steinen und Felsen unterbrochen wird. Es sah genauso aus, wie ich es von den Fotos, Filmen und Dokumentationen über Schottland her kannte. Ein Ort, an dem Kobolde und Feen leben. Auch der Blick zurück auf Pitlochry und die umliegenden Orte sowie den Fluss Tummel ist sagenhaft, so dass ich oft stehen bleiben und den Blick schweifen lassen musste. Auch die mich auf der linken Seite begrenzenden Hügel mit ihrem Gras- und Weidebewuchs, schon mehr lila-rot als erdfarbend, beeindruckten mich zutiefst. Das stetige Bergauf bekam ich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht mit und meine mitgenommenen Schokocookies für unterwegs hätten nirgendwo besser schmecken können als hier.
Doch es sollte sich noch steigern. Als ich auf der Erhöhung ankam, präsentierte sich mir eine vollkommen neue Szenerie, welche durch das Lichtspiel von Sonne und Wolken noch hervorgehoben wurde. Anstelle von grün und lila dominierten nun die Farben gold und braun. Da ich alleine den gewundenen Pfad entlang wanderte, konnte ich den Impuls nicht unterdrücken und sang den Herr der Ringe Soundtrack vor mich hin. Denn genau in diese Welt fühlte ich mich versetzt. Zu schön um wahr zu sein: die zauberhaften Ausblicke, zwischendrin ein dunkelblauer mystischer See (schottisch: Loch) und die aufragenden Gipfel um mich herum.
Doch noch ein weiteres Mal änderte sich die Szenerie. Es wurde windiger, die Sonne kämpfte gegen die Wolken an und vor mir lag eine blaue, unruhige Wasseroberfläche. Direkt auf meinem Weg befand sich der Loch a‘ Choire und hinter ihm sah ich den letzten Abschnitt meiner Wanderung, der mich treppenähnlich über große Steinboulder zum Gipfel führen sollte.
Total verzückt tänzelte ich am Loch vorbei und begann mit dem Aufstieg. Doch eine Sache lernte ich schnell: in Schottland sind die Berge und Hügel nicht hoch, aber die Höhenmeter absolviert man dafür (gefühlt) auf einmal. Doch die Anstrengung lohnte sich. Mit jedem Höhenmeter wurden der Ausblick und das Panorama beeinduckender. Der peitschende Wind, wie bei einer perfekten Inszenierung, verstärkte den rauen und wilden Eindruck der schottischen Highlands.
Oben angekommen erwartete mich ein Rundumblick, der all meine Erwartungen übertraf. Es war meine erste weitere Tagestour seit meiner Ankunft und mich überkam eine Woge des Glücks und die wässrigen Augen waren nicht nur vom Wind verschuldet. Nachdem ich mir versucht habe klarzumachen, dass das wirklich der Realität entspricht, begab ich mich auf den Rückweg und wenn ich Schottlandbesuchern einen Tipp geben darf, dann den, dass es sich immer lohnt, sich umzudrehen und den Weg von der anderen Richtung zu überblicken.
Auf dem Bealach Path
So lief ich bis zu einer Weggabelung, wo der Bealach Path Richtung Killiecrankie angezeigt wurde.
Ich warf einen Blick auf die Karte und sah, dass es sich dabei um einen Rundweg handelt, der mit einem Abstecher über die Schlucht von Killiecrankie wieder zurück nach Pitlochry führte.
Nach einer kurzen Diskussion mit mir selber zwecks Zeit, Aufwand und müden Beinen entschied ich mich dafür den Rundweg zu wagen und selten hatte ich eine bessere Idee. Inzwischen war eine erheblich größere Personenanzahl auf dem Weg zum Gipfel unterwegs. Davon fragte mich jeder Zweite freundlich und mit einem Lächeln im Gesicht nach den Windbedingungen und dem Ausblick. Trotzdem freute ich mich über den menschenleeren Pfad durch diese sagenhafte Natur, der mich nun erwartete. Es ging glücklicherweise bergab und ich hatte einen traumhaften Blick Richtung Blair Atholl und über die lila eingefärbte Moorlandschaft. Doch irgendwann, so muss ich gestehen, war ich etwas verunsichert, ob ich mich nicht doch verlaufen habe, da wirklich niemand auf diesem Pfad unterwegs war. Über den einen jungen Mann, der mir dann entgegenkam, habe ich mich dementsprechend mehr als gefreut und konnte von da an erleichtert und beschwingt meinen Weg summend fortsetzen.
Schlucht von Killiecrankie
In Killiecrankie angekommen, ging ich einen wunderschönen Waldpfad an einem kleinen Wasserfall entlang und kam direkt an den Fluss Tummel, dem ich mehrere Kilometer lang folgte. Es war wieder eine komplett neue Szenerie.
Ohne mich vorher informiert zu haben, überraschten mich die vielen Sehenswürdigkeiten auf meinem Weg. Ich kam an einem alten Viadukt vorbei und zu einer Brücke, von deren Mitte aus der Blick in die Schlucht und auf den Fluss von beiden Seiten fantastisch war. Dann hörte ich von irgendwo her laute Stimmen und ab und zu einen Schrei.
Die Verwunderung legte sich, als ich eine Brücke passierte, von der Bunjee-Jumping angeboten und auch wahrgenommen wurde. Ich beobachtete das Spektakel für eine kurze Zeit und ging dann weiter. Als ich Pitlochry näher kam, erreichte ich einen wunderschönen Wald, der einem Park ähnlich schien und spazierte den Markierungen folgend an einem zauberhaften kleinen See vorbei. Kurz vor der Stadt liegt ein kleines Café mit einer Art Biergarten und lud mich zum Ausruhen, Entspannen und Revue passieren lassen ein.
Als ich wieder in Pitlochry ankam, war ich zwar müde, aber unfassbar glücklich und auch sehr zufrieden mit meiner Leistung, so dass ich mich selber auf eine Portion Fish and Chips einlud, während ich auf meinen nächsten Zug zurück nach Dalmeny wartete. Zum Abschluss des Tages durfte ich bei der Rückfahrt den beginnenden Sonnenuntergang von der Forth Bridge aus mit dem Blick über South Queensferry genießen.
Die Rundwanderung kann im Rahmen unserer Standortreise Pitlochry durchgeführt, aber auch bei unseren indivdiuellen Autorundreisen und Bahnreisen durch Schottland eingebaut werden.
Ein Textbeitrag von Julia Zinn