Septembermorgen
Im Nebel ruhet noch die Welt,
noch träumen Wald und Wiesen;
bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
den blauen Himmel unverstellt,
herbstkräftig die gedämpfte Welt
in warmem Golde fließen.
Eduard Mörike 1827
Von Goldgelb zu Feuerrot
Der Herbst ist eine der schönsten Jahreszeiten in Schottland. Vor allem zur Zeit des Indian Summer überzieht das schräg einfallende Sonnenlicht die Landschaft mit einem goldenen Schimmer und kräftigen, flammenden Farben. Ein Roadtrip durch den hohen Norden Schottlands kann, wenn die Hauptsaison vorüber ist, zu einem einzigartigen Erlebnis werden: menschenleere Strassen, vom Sonnenlicht modellierte Berge und Täler, spiegelklare Seen und windzerzauste Fjorde, im Morgengrauen lichtende Nebelbänke und der anheimelnde würzige Geruch von Torf-und Holzfeuer in den zerstreuten Siedlungen – all das spricht für eine Schottlandreise in den hohen Norden in den Herbstmonaten.
Schottlands „Route 66“
Die im Jahr 2014 auf den Namen „North Coast 500“ getaufte Landstrasse führt durch die nördlichen Highlands Schottlands. Startpunkt ist Inverness, die Hauptstadt der Highlands. Von hier aus kann man die Strecke variieren. Ein schöner Ort gen Westen ist der Fischerort Gairloch. Am Hafen gibt es ein einladendes Cafe mit frisch gebackenen Scones mit Butter und Marmelade.
Im Nachbarort Badachro läuft der Fischkutter von Ian McWhinney aus. Touristen können ihn auf Shellfish Safaris begleiten und beim Einholen der Hummer-Reusen unter die Arme greifen. Vom UK Guardian Newspaper wurde die Tour zu einer der sieben aussergewöhnlichsten Touren gewählt. Das Fischerboot führt zum Kingdom of Islonia, das seit 2010 unabhängig ist. Man erhält sogar einen eigenen Reisepass. Alle Passagiere an Board können ein paar Fischkörbe hinaufziehen und schauen, ob sich Krabben, Hummer, Seesterne oder auch Schellfische darin befinden.
Meeresfrüchte, Wandern & Surfen
Von Gairloch fährt man weiter Richtung Norden zum malerisch am Loch Broom gelegenen Ullapool, wo die Fähren auf die Äusseren Hebriden auch im Winter auslaufen. Hier kann man entlang der Hafenpromenade schlendern und eine sehr grosse Portion der landestypischen Fish’n‘ Chips verzehren. Bis Ende Oktober servieren Fenella und Kirsty vom Seafood Shack fangfrische Spezialitäten aus dem Meer zum Mitnehmen. Die Route führt ferner nach Lochinver, ebenfalls ein kleiner Hafenort. Der Name kommt vom Fluss Inver, an dessen Mündung Lochinver liegt. Ein schöner Abstecher von Lochinver aus bietet der Besuch des Old Man of Stoer mit dem Ru Stoer Leuchtturm.
Der Leuchtturm liegt an der atemberaubenden Westküste an einer weiten, offenen Bucht und ist über eine einspurige Strasse, jedoch immer mit Ausweichstellen (passing points) erreichbar. Auf dem Weg ist die Begegnung mit zahlreichen Schafen und Rindern sehr wahrscheinlich. Sogar Warnschilder weisen Autofahrer darauf hin, vorsichtig zu fahren.
Handwerk, Kunst & Keramik
Vom Old Man of Stoer geht die Reise weiter Richtung Durness bzw. nach Balnakeil. Hier lebt mit 20 Einwohnern eine kleine Künstlerkommune, welche verschiedenes Handwerk, Kunst und Keramikwaren anbietet. Ausserdem liegt hier das Cocoa Mountain Cafe, in dem man sich nach der frischen Brise am Old Man of Stoer mit einer erstklassigen heissen Schokolade wieder aufwärmen kann. Weiter die Nordküste entlang kommt man Thurso, dem Surferparadies Schottlands, wo sich die Hartgesottenen selbst im kühlen Oktober nicht vom Surfen abbringen lassen! Es scheint, als gäbe es in Schottland, was Outdoorsport betrifft, nichts, was es nicht gibt.
Von Thurso aus geht es weiter nach John o‘ Groats, der Nordostspitze Schottlands. Lands End im Süden England und John o‘ Groats im Norden Schottlands sind mit ca. 1200 Meilen die am weitesten voneinander entfernten Orte Grossbritanniens. Radfahrer*innen können diese Distanz ebenfalls bezwingen, der Weg nennt sich End to End. An klaren Tagen kann man von John o‘ Groats das Ufer der nur acht Meilen entfernten Orkney Inseln sehen.
Von John o‘ Groats wendet sich die Strasse an der Ostküste entlang wieder Richtung Süden. Das Landschaftsbild verändert sich langsam, es wird grüner und flacher. Auf dem Weg zurück nach Inverness passiert man zahlreiche Destillerien und auch eine kleine Brauerei, die Black Isle Brauerei, die zur Besichtigung einladen.
Ein Geheimtipp für Schottlandliebhaber
Touristisch gesehen gilt der Norden Schottlands – vor allem ausserhalb der Saison – eher als Geheimtipp. Da wir Ihnen, unserer Reisephilosophie gemäss, einzigartige Reiserouten fernab vom Tourismusrummel zeigen möchten, bieten wir diese Route im Zuge unserer Individualreisen durch Schottland auch ausserhalb der Hochsaison an.
Zudem ist die Route Teil unserer Genussreisen durch Schottland. Neben Übernachtungsmöglichkeiten in gemütlichen, authentischen Bed and Breakfasts können wir Ihnen wertvolle Tipps für Aktivitäten, Restaurants, Farm- und Kunsthandwerksläden, Wanderungen und beeindruckenden Aussichtspunkten geben.
Ein Gastbeitrag von Jennik Schmitz (Bilder & Text)